Saarländischer Künstlerbund und Gäste aus Frankreich

Château Sauvage

23. Januar 2014 – 2. März 2014

Eröffnung

23. Januar 2014 - 19:00 Uhr

Saarländischer Künstlerbund und französische Freunde

+++ Text der Einführung von Silke Immenga weiter unten +++

Es wird brachial und düster, gestisch und abstrakt, figürlich und rätselhaft in dieser Ausstellung, erotisch, majestätisch und frostig, wenn sich dort Arbeiten sechs verschiedener Künstler und einer Künstlerin begegnen. Drei von ihnen – Volker Sieben, Johannes Lotz und Mane Hellenthal – sind Mitglieder im Saarländischen Künstlerbund,der für die Organisation der Schau »Château Sauvage« verantwortlich zeichnet.
Die anderen vier – Damien Deroubaix, Eric Corne, Francois Génot und Jérome Zonder – sind ihre französischen Gäste, die anlässlich des fünfzigjährigen Elysée-Jubiläums zur gemeinsamen Ausstellung eingeladen sind. Die drei deutschen Künstler haben Partner gewählt, zu denen sie eine Affinität verspüren. (Anne Kohlick, Text Katalog)

Die Künstler und die Künstlerin haben in unterschiedlicher Weise Verbindungen zum jeweiligen Nachbarland, entweder er oder sie haben dort gelebt, ausgestellt oder sie hatten ein Stipendium im Nachbarland.

Der Titel »Château Sauvage« bezieht sich auf das Schloss Fellenberg in Merzig, die erste Station der Ausstellung, und den gemeinsamen Nenner, der die drei deutschen Künstler mit ihren französischen Gästen verbindet: eine »wilde«, spielerisch – spontane Komponente, die in unterschiedlicher Weise, in den jeweiligen Werken zum Ausdruck kommt.

Volker Sieben hat Damien Deroubaix eingeladen.
Volker Sieben ist im Saarland geboren und lebt jetzt in Berlin. Nach einer klassischen Klavierausbildung hat er bei Horst Hübsch in Berlin Malerei studiert. Seine aktuellen Werke zeigen ein breites Spektrum bildnerischer Formkraft, wobei er sich der verschiedensten Materialien zur Umsetzung seiner Bildwelten bedient. Ein wesentliches Element und eine Konstante in seiner Arbeit ist die Verbindung von Zeichen- und Schriftkunst.

Damien Deroubaix ist Jahrgang 1972. Er hat an der Ecole des Beaux Arts de Saint-Etienne und an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe studiert. Auch er lebt in Berlin und zudem in Meisenthal. Neben Zeichnungen und Holzschnitten fertigt er Collagen und Installationen an. Themen seiner Arbeiten sind meist apokalyptische Szenerien. Im Saarland war er 2009 zuletzt Ausstellungsgast im Saarlandmuseum.

Johannes Lotz hat Eric Corne eingeladen. Johannes Lotz ist 1975 in Saarbrücken geboren und hat an der Akademie für Bildende Künste in Mainz und München studiert. Er lebt in München. Sein künstlerisches Wirken dreht sich um die Themen Befreiung und Deformation. In seinen Bildern finden sich Bezüge zu El Greco, Bacon, Gustav Kluge oder Maria Lassnig.

Eric Corne hat eine Professur an der École Supérieure des Beaux Arts in Bourges. Er lebt in Paris. In seiner symbolgeladenen narrativ anmutenden Malerei stehen menschliche Figuren in Beziehung zueinander in einer surreal erscheinenden Umwelt.

Mane Hellenthal hat die beiden Künstler Francois Génot und Jérome Zonder eingeladen. Mane Hellenthal, Mitglied des Saarländischen Künstlerbundes, geboren 1957, hat in Saarbrücken und München Kunst studiert. Sie lebt in Saarbrücken und Walsheim. Mane Hellenthal arbeitet in großen Zyklen und Serien, auf den Gebieten der Malerei, Fotografie und Installation. Ihre Themenwelt kreist um Autobiografisches, den Heimatbegriff und die Natur.

François Génot, 1981 geboren, lebt in Diedendorf im Elsass. Er hat an der Ecole Supérieur d‘ Art de Lorraine in Metz Bildhauerei studiert. Sein großes Thema ist die Natur, die er malerisch, zeichnerisch, bildhauerisch und filmisch auf die ihm eigene Art erforscht. Sein sowohl sensibler wie dynamischer Blick auf die alltägliche Landschaft (auf das Wilde im Zivilisierten) ermöglicht eine zeitgenössische Darstellung der Natur.

Jérome Zonder, geboren 1974, lebt in Paris. Der Kontakt zu ihm entstand in Meisenthal wo er sich einige Monate anlässlich eines Stipendiums aufhielt. Sein Hauptgebiet ist die Zeichnung. Er fertigt fotorealistische Bleistiftzeichnungen an, voller abgründigen schwarzen Humors mit teilweise alptraumhaften Szenerien. Mit seinen Werken schließt sich der Kreis der unterschiedlichen künstlerischen Positionen. Sie reicht von der eher abstrakten zeichnerischen Position von Volker Sieben bis zum fotorealistisch-figürlichen in seiner extremsten Form.

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Ulrich Commerçon, Minister für Bildung und Kultur des Saarlandes und Frédéric Joureau, Generalkonsul der Republik Frankreich im Saarland. Erste Station war das Museum Schloss Fellenberg in Merzig.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

Einführung von Silke Immenga

Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entstehung des Impressionismus und später mit dem Fauvismus nahm Frankreich für die Entwicklung der modernen Kunst eine zentrale Rolle ein. Viele versierte deutsche Kritiker, Galeristen und Museumsdirektoren erkannten das zukunftsweisende Potential ihrer Nachbarn und bemühten sich die französische Kunst dem deutschen Publikum näher zu bringen. Tatsächlich war der erste Cézanne und Manet, die überhaupt in ein Museum gelangten, von der Nationalgalerie in Berlin erworben worden. Gegen diese Ankaufspolitik, nicht nur in Berlin, regte sich jedoch großer Widerstand. Der Vorwurf der »Französelei«, d.h. die angebliche Überzahl französischer Künstler gegenüber den Deutschen und die Überteuerung der französischen Kunst erreichte ihren Höhepunkt 1911 in der Streitschrift des Kunstmalers Carl Vinnen »Ein Protest deutscher Künstler«. Dort heißt es: »Angesichts der großen Invasion französischer Kunst, die sich seit einigen Jahren in den sogenannten fortgeschrittenen deutschen Kunstkreisen vollzieht, scheint es mir ein Gebot der Notwendigkeit zu sein, dass deutsche Künstler ihre warnende Stimme erheben und das sie vor dem Einwande, Sie triebe dazu nur der Neid, nicht zurück schrecken.« Und an anderer Stelle: »Und wo fremde Einflüsse hier nicht nur verbessern sondern von Grund auf umgestalten wollen, da liegt eine große Gefahr für unser Volkstum vor.«
Noch im gleichen Jahr erschien »Die Antwort auf den Protest Deutscher Künstler«, die sich gegen die erhobenen Vorwürfe vehement wehrte.
Glücklicherweise sind diese Bedenken nach 100 Jahren in den Hintergrund gerückt, denn heute ist die Welt der Kunst international und global.

Drei deutsche aus dem Saarland stammende Künstler haben französische Künstler Kollegen ausgewählt, um gemeinsam auszustellen. Volker Sieben hat Damien Deroubaix, Mane Hellenthal François Génot und Jérôme Zonder, Johannes Lotz Eric Corne eingeladen. Alle Künstler sind verbunden mit gemeinsamen Orten an denen sie lebten und arbeiteten. Damien Deroubaix hat Volker Sieben in Meisenthal getroffen, einem kleinen Ort in Lothringen, der durch seine Glasmanufaktur heute noch bekannt ist und Künstlerstipendien vergibt. Eric Corne in Paris und Deroubaix in Meisenthal tauschten für eine bestimmte Zeit ihr Atelier. François Génot hatte eine Ausstellung in Meisenthal und Jérôme Zonder ein Stipendium.

Widmen wir uns als erstes Mane Hellenthal, unter deren Federführung die Ausstellung geplant und realisiert wurde. Die Künstlerin arbeitet in den unterschiedlichsten Medien. Malerei, Zeichnungen, Fotografie und Installationen gehören zu ihrem Werk. Schon seit geraumer Zeit beschäftigt sie sich in ihrem Werkzyklus »Provinzielle Bauwerke« mit Architektur, die bemerkenswerte und spektakuläre Bauformen zeigt. Die Architekturdarstellungen sind auf einem außergewöhnlichen Bildhintergrund gesetzt. Eine Marmoriertechnik, eine Technik bei der Öl und Wasser eine Verbindung eingehen, verleihen dem Bildgrund eine einzigartige unvorhersehbare Struktur. Diese Struktur nutzt die Künstlerin, um Naturelemente zu skizzieren, die der Architektur als Hintergrund dient. In ihrer großen Papierarbeit »Schattenrasen« im ersten Raum schwebt ein futuristisches Gebäude über einer Berglandschaft aus der ein Mädchen emporsteigt mit einer Bademütze aus vergangenen Tagen. Wie so oft kreist die Künstlerin um ihre eigene Biografie und die Bergwelt ist ein immer wieder kehrendes Motiv. Im großen letzten Raum ist ihre Sammlung kleiner schwarz-weiß Fotografien auf Pulten ausgestellt. Die Fotografien greifen die Motive ihrer Bilder auf, und zeigen u.a. kugelförmige Architekturen, biographische Familienfotos und die Bergwelt.

Bei dem französischen Künstler François Génot, der im lothringischen Diedenhof wohnt, ist die Natur ebenfalls Ausgangspunkt vielfältiger Recherchen. Mane Hellenthal ist er durch eine Ausstellung in Meisenthal bekannt. Im Vorraum der Ausstellung empfängt uns ein großes Wandbild in Kohle ausgeführt. Skizzenhaft und präzise zugleich zeigt uns der Künstler einen Ausschnitt aus der Natur: wild gewachsenes Gestrüpp an einem Wegesrand oder Flussufer. Äste, Bäume und hohe Gräser wachsen unkontrolliert nebeneinander, so dass die Darstellung zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changiert. Die Ansicht erfolgt aus der Froschperspektive, also von unten, und scheint den Betrachter in die Perspektive der Tierwelt zu versetzen. Im folgenden Ausstellungsraum arbeitet der Künstler mit Fundstücken aus der Natur. Gegen die Wand lehnt ein Tannenast mit einer auf den ersten Blick merkwürdigen Musterung. Um die Spuren eines Borkenkäfers sichtbar zu machen, hat er den Ast mit schwarzer Farbe überzogen.

Ebenfalls im ersten Raum befindet sich das große Format von Eric Corne. Eric Corne erzählt Geschichten über das menschliche Dasein und seiner Beziehung zur Natur und zur gebauten Umwelt. Sein Bild in der Ausstellung zeigt eine surreale Ateliersituation. Wie ein Leitmotiv ziehen sich seine unbekleideten Figuren durch sein Werk, das er wie folgt beschreibt: »Auf meinen Bildern, wo sich die Erzählungen kreuzen, ist die Welt oft dem Zusammenbruch nahe. Die spannungsvollen gegensätzlichen Erzählungen handeln von den Ruinen, der Gewalt, der Gefahr und der Trennung. Die sexuelle Energie vermischt sich mit Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Der Nackte bricht immer in die Natur ein und ist zeitlos genau wie die Natur.« Eric Cornes Werke sind inspiriert von Dichtung, Literatur und seinen Reisen, insbesondere Brasilien hat ihn fasziniert. Er selbst sagt » Meine Bilder sind Gedichte« und bezieht sich auf seine Lieblingsschriftsteller Hemingway und e.e. cummings.

Die Bildwelten von Johannes Lotz sind surreal wie bei Corne, aber nicht im Detail ausgearbeitet sondern zeichnerisch-skizzenhaft. Lotz setzt sich mit der menschlichen Figur auseinander, aber auch mit Fundstücken, die manchmal bearbeitet werden. Im ersten Raum überwältigen zwei große Werke mit den Titeln »Herrin der Seen« und »Das Licht war schön«. Seine Bildthemen kreisen um die menschliche Gestalt, deren Körper teilweise deformiert, entstellt oder verfremdet ist. Die von ihm entworfenen Bildwelten sind rätselhaft und bizarr, manchmal tendieren sie auch ins Märchenhafte. Es gibt keine stringente Erzählstruktur, vielmehr entführt der Maler uns in eine phantastische und surreale Bilderwelt. Der malerische Duktus wechselt von einem breiten, opaken Farbauftrag bis hin zu kaum sichtbaren zeichnerischen Linien. Einige Motive sind lediglich skizzenhaft angedeutet. Johannes Lotz sagt selbst über seine künstlerische Intention: »Es geht mir darum, besondere Räume zu schaffen, um in eine bestimmte Stimmung zu kommen, wie es sie beispielsweise auch in Märchen gibt. Mit den Bildern habe ich die Möglichkeit, eine Welt zu schaffen, in dem das Spektrum des Seins Platz hat und keine Wertung erfährt, wo Dinge düster, poetisch oder auch absurd sein dürfen.«

Damien Deroubaix und Volker Sieben sind folgerichtig nachbarschaftlich im zweiten Raum ausgestellt. Beide umkreisen Themen einer anarchischen Subkultur. Bei Sieben eher in gegenstandloser Manier und bei Deroubaix auf die Thematik bezogen. Für beide Künstler ist die Musik konstitutiv für das Schaffen. Die große Papierarbeit mit dem Titel »Duality« zeigt die dunkle Seite der Nacht. In einem Wald sitzen affenähnliche Wesen auf Bäumen und verkünden in Sprechblasen Fledermäuse und kosmische Sternenbilder. Eine mythische Kultfigur in der Mitte des Bildes überwacht die Szenerie. Stechende Disteln und isoliert dargestellte menschliche Organe verleihen dem Bild eine Rätselhaftigkeit, die sich weder über die Symbolik noch durch den Titel erschließt. Der Künstler arbeitet mit den unterschiedlichsten Techniken wie Aquarelle, Zeichnungen, Skulpturen und Holzschnitte. Seine Themenwelt entstammt dem Apokalyptischen und Düsteren unserer Zeit, die er oftmals mit Motiven und Symbolen einer außereuropäischen Archaik kombiniert.

Volker Siebens monochrome Leinwände greifen die Düsternis von Deroubaix auf. Wichtigstes Anliegen für Sieben ist die Vielseitigkeit seiner künstlerischen Tätigkeit: So schöpft der Künstler aus den Bereichen der Literatur, Musik, Performance, Malerei und der Zeichnung. Seine Themenwelt kommt aus dem Politischen oder aus dem Privaten, seine Werke sind offensichtlich und auch enigmatisch. Stilistisch orientieren sie sich an einer ungezügelten, anarchischen Malweise. Das Akademische sowie ein Realitätsbezug werden verworfen. Sprache und Schrift spielen eine zentrale Rolle, um Bedeutung und Aussage zu transportieren. Die Schrift als künstlerisches Zeichen im Bild oder klang- und verheißungsvolle Bildtitel bringen den Betrachter zum Nachdenken, erinnern zugleich an dadaistische Vorgehensweisen. Die Musik war für den ausgebildeten Pianisten stets gegenwärtig und bleibt bis heute wichtiges Element. Eine Klanginstallation, konzipiert für das Museum Schloss Fellenberg in Merzig, nimmt Bezug auf, ich zitiere den Künstler, »auf das, was von dem Prunk des Chateaus zurückbleibt, wenn sich die Natur der ruinösen Gemäuer wieder annimmt – mahnend das Vergängliche«.

Jérome Zonder ist hier mit einer großen und einer kleinen Zeichnung vertreten. Der junge französische Künstler gehört zu den großen Zeichnern in der zeitgenössischen Kunst, der sich ausschließlich nur mit dieser Technik auseinandersetzt. Zonder hat seit 15 Jahren dieses Medium für sich entdeckt und führt es zu absoluter Perfektion. Für ihn ist es das einzige Medium, seine bildnerischen Ideen mit einer Exaktheit und Freiheit darzustellen, die die Malerei ihm nicht gewähren würde. Seine kleine Zeichnung zeigt zwei paar Hände in Nahansicht, die sich freundschaftlich umfassen.

In diesem Sinne, der freundschaftlichen Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich, wünsche ich Ihnen einen anregenden und interessanten Ausstellungsbesuch und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.