Lukas Kramer

Lichtfluss und Grünraum

12. September 2004 – 5. November 2004

Eröffnung

12. September 2004 - 11:00 Uhr

Einführung

Dr. Christoph Stölzl

Lukas Kramers Werk umfasst Gemälde, Grafik und Druckgrafik sowie Wandgestal­tungen im öffentlichen Raum. Er wurde 1941 in Saarbrücken geboren, studierte an der ehemaligen Werkkunstschule in Trier, an der Ecole des arts décoratifs in Straßburg und am Istituto di belli arte in Urbino. 1966 kehrte Kramer nach Saarbrücken zurück, bezog ein Atelier in der Mainzerstraße und war von 1967 bis 1981 als Kunsterzieher im Schuldienst tätig. 1997 erhielt er den Albert­Weisgerber­Preis der Stadt St. Ingbert.

Text von Ingeborg Koch-Haag zu den Arbeiten von Lukas Kramer

Zwei für Lukas Kramer bis heute prägende Parameter kündigten sich bereits früh in seiner Malerei an: Die serielle Handhabung der Motivkette, die es formal und inhaltlich durchzudeklinieren gilt – und die Hinwendung zum Licht und zu dessen prozesshafter Materialisierung. Mit den in politischem Unbehagen verwurzelten und weltanschaulich konnotierten Inhalten war offenbar Schluss, als der Künstler anfing, seine Bildgegenstände aus dem – wenn auch nur vage – vermuteten Realitätsbezug zu lösen und allein durch Farbe und Licht Stimmungen erzeugte. Wenn es denn so einfach wäre. Denn Kramers Arbeiten haben sich nie von den Veranlassungen und Auslösern dieser Kunst verabschiedet – seine eigensinnige Ikonografie bedient noch immer die sinnliche Befindlichkeit des Menschenangesichts einer nicht mehr dimensionierbaren technischen Bedrohung. Die gegenstandsreduzierten, aber nie abstrakten Bilder aus jüngster Zeit illustrieren dieses Bewusstsein von Ohnmacht, Überforderung, Haltlosigkeit – über die visuelle Reizschwelle ihrer formalen Gestaltung.Von einem Schlüsselerlebnis aus dem Anfang der 1980er Jahre ist dabei immer wieder die Rede: Damals hielt sich Kramer in Paris auf, suchte mit der Kamera Motive. In der gerade im Bau befindlichen Satellitenstadt La Défense holte ihn sein Schicksal ein: Eigentlich ganz unspektakulär, aber folgenreich für die späteren künstlerischen Anliegen fotografierte er Neonröhren, die in Werbekästen steckten. Fotografierte also Licht, das als Trägersubstanz visualisierbar war. An der unwirtlichen Peripherie der Stadt, auf einer tristen Baustelle. Das wichtigste Material der modernen Kunst … ist es heute nicht das Licht, fragte Roland Barthes. Es dauerte freilich noch an die sieben Jahre, bis Lukas Kramer die Entscheidung fällte, sich ausschließlich mit den unterschiedlichen Repräsentationsformen von Licht zu beschäftigen. Das war die Geburtsstunde des FLUID SYSTEMs, des Lichtflusses. Grausilberne Röhrenformen drängeln sich im Fond, lichthelles gelbes Pigment gleißt auf und illuminiert die Szene, die eigentlich keine ist, sondern das Zusammentreffen zweier verschiedener Raumdefinitionen. Zylindrische Formen stürzen übereinander, verschwinden in der Tiefe – angesichts dieses Röhrendschungels habe er es selber mit der Angst zu tun bekommen, sagt der Künstler.In der nächsten Phase nisten sich zentrale Motive im Bildgeviert ein – nicht im Sinne anekdotischen Erzählens, sondern als Auf-brechen einer zusätzlichen Darstellungsebene hinter der Oberfläche. Das Bildinnere stülpt sich nach außen, virtuelle Gegenstände schälen sich aus dem diffus weichgezeichneten Dahinter, violette Schlieren fressen sich in den Vordergrund,eine Ansammlung von kupferfarbenen Patronenhülsen liegt herum, Lichtschnüre hängen herab, elektronischer Abfall wird assoziert. Dieses Öffnen und Schließen des Bildraumes, die konvex-konkave Irritation in der Bildführung, die Verdichtungvon Licht und zugleich das Entmaterialisieren des Bildinventares machen aus diesen Gemälden optische Wahrnehmungsfallen. Auch die Farbe hat sich emanzipiert und ihre subjektive Grammatik entwickelt: Je nach Träger drängt sie nach vorne,bläht sich auf oder nimmt sich zurück, bezeichnet Stofflichkeit,erzeugt differenzierte Texturen.Zeit als Kontinuum, als etwas Unbegrenzbares – nicht als Abfolge von Ereignissen. Auch Kramer arretiert die Zeit, bahnt das Moment des Vibrierens und Pulsierens wie eine existentielle Ausweglosigkeit auf den Malgrund. Der Betrachter bleibt wehrlos den massiven und mitunter an Op-Art erinnernden Attacken auf seine Netzhaut ausgeliefert, schaut wie gebannt auf das Flirren und Flimmern der in Unruhe versetzten Bildoberfläche. Mitte der 90er Jahre lässt sich so etwas wie eine Beruhigung der strukturellen Oberfläche erkennen – koloristisch abgestufte, fließende und verschliffeneRöhrenformen ragen plastisch aus den dahinterliegenden Bild-schichten auf, um dann ihrerseits in einer Art Bewegungschoreografie in die Unschärferelation abzutauchen. Es ist die Geburtsstunde der Pulsationen und Vibranten – einer Steigerung aus glimmenden Röhren und haarig schwappenden Wellen, an den Rändern aufgefangen von virtuellen Farb-Bändern,segmentiert von gestischen Spuren, gerastert von Farbdripping. Übermalungsschleier verunklären die räumliche Disposition, Lichtsprenkel reißen Löcher in die Textur der Oberfläche.