Otto Lackenmacher (1927-88)

Grafik und Malerei

9. November 2017 – 22. Dezember 2017

Eröffnung

9. November 2017 - 19:00 Uhr

Grußwort

Ulrich Commerçon, Minister für Bildung und Kultur

Einführung

Dr. Andreas Bayer, Künstlerischer Leiter des KuBa, Saarbrücken

English version below

In seinen Radierungen und Bildern geht es um Menschen und die Bedingungen, denen sie unterworfen sind. Es geht um Sucht, Sehnsucht und Begehren, um Einsamkeit, um Gewalt und Sex: Otto Lackenmachers Arbeiten zählen zu den wichtigen und auch sehr populären künstlerischen Positionen des Saarlandes. Die konsequent gegenständliche Darstellungsweise verbindet seine Arbeiten mit den ungebrochen vorhandenen realistischen Tendenzen in Malerei und Grafik der Nachkriegs-BRD, obwohl die Abstraktion als Stil damals vorherrschte. Im künstlerischen Zentrum des “Kritischen Realismus“, in West-Berlin, hat Otto Lackenmacher seit 1979 bis zu seinem frühen Tod immer wieder gelebt. Er blieb aber in seinen sehr subjektiven Arbeiten einer plakativ-weltanschaulichen Darstellungsweise fern.

Otto Lackenmachers Blick richtet sich auf das in künstlerischen Darstellungen häufig Ausgegrenzte oder in pathetischer Überhöhung Geschönte: er zeigt Außenseiter, hungernde, verzweifelte, einsame oder brutal gewalttätige Menschen und immer wieder Frauen als Objekte seines Begehrens oder Männer und Frauen beim sexuellen Akt, direkt und voyeuristisch. Sein Werk stieß dadurch vielfach auf Irritation und Ablehnung.

Wichtiges Medium, in dem der Künstler stets auf Neue nach überzeugenden formalen Lösungen sucht, ist für viele Jahre die Radierung. „Radier oder krepier‘ “, ein Aufruf an sich selbst auf einem seiner Blätter. Tragende Elemente von Lackenmachers Bildgestaltung in den Radierungen sind ein eng gefasster Bildraum, in dem sich die Figuren häufig drängen, und ein reiches Register an subtilen Tonabstufungen, die die meist düstere Atmosphäre der Arbeiten erzeugen. Die Tonwerte reichen von wenigen hellen Weißflächen über viele Grauabstufungen bis hin zu gesättigten tiefdunklen Schwarztönen.

1927 in Saarbrücken geboren, besuchte Otto Lackenmacher zunächst die Kunstschule in Trier und studierte, nach Krieg und Gefangenschaft, von 1947 bis 1953 an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücken, unter anderem bei Frans Masereel. Entgegen der in der Nachkriegszeit künstlerisch vorherrschenden Orientierung an der konstruktivistischen Bauhaustradition und der von der Pariser Kunstszene vorrangig vertretenen internationalen Abstraktion, entwickelte Otto Lackenmacher eine am Realismus geschulte Arbeitsweise. Kriegsgefangene, Hungernde und von Lebenserfahrung gezeichnete Menschen waren bereits während des Studiums die Sujets, mit denen er sich beschäftigte. Unterstützt und ermutigt von Frans Masereel verfolgte Otto Lackenmacher diese Thematik, die die künstlerische Arbeit seines gesamten Lebens prägen sollte. Als „Menschenmaler“ reagierte er auf Lebenswirklichkeiten, denen der Mensch ausgesetzt ist und die ihn formen.

Das malerische und grafische Gesamtwerk Lackenmachers umfasst ein reichhaltiges thematisches Spektrum und mutet in seiner Fülle schier unübersichtlich an. Den Anfang bilden frühe sensible Zeichnungen, es folgen an Frans Masereel orientierte Linolschnittserien, die das harte Leben der Nachkriegszeit in expressivem Schwarz-Weiß fassen. In den kommenden Jahrzehnten entfaltet der Künstler in unterschiedlichen Medien situative Szenarien, die vom Porträt über den erotisch geprägten Akt und der expliziten Darstellung von Sexualität bis zu zahlreichen, zum Teil biografisch motivierten, Mappenwerken reichen.

Die Ausstellungskooperation der Saarländischen Galerie und der Galerie im KuBa in Saarbrücken präsentiert anlässlich seines 90. Geburtstags eine gezielte Werkauswahl aus dem umfänglichen Oeuvre von Otto Lackenmacher, die zentrale Aspekte des künstlerischen Schaffens stellvertretend dokumentieren soll. Neben Arbeiten aus der Kunstsammlung des Saarlandes werden Werke aus Privatbesitz gezeigt.

 

Otto Lackenmacher (1927–88): Graphics and Painting

Addiction, longing, desire, loneliness, violence and sexuality are the themes of Otto Lackenmacher’s etchings and paintings. His work ranks among the foremost and most popular artistic positions in the Saarland. Consistently figurative, it yet echoes in part the realist tradition in painting and graphics that continued unabated throughout the post-war period in West Germany, albeit overshadowed by abstraction, the predominant style there, at the time. From 1979 until his untimely death, Otto Lackenmacher lived recurrently in West Berlin, the creative epicentre of “critical realism”. However, his work was highly subjective, revolving always around his own person and the people in his urban setting, and he kept his distance from any overtly ideological style of representation.

Otto Lackenmacher’s gaze was oriented rather to subjects often excluded from artistic portrayals or presented at best under pathetically exaggerated euphemisms: with a directness verging on the voyeuristic, he depicted hungry, bewildered and lonely characters on the margins of society and, time after time, a brutally violent sexuality as appealing as it was unsettling. His work accordingly prompted irritation and disapprobation.

One important medium to which the artist returned repeatedly for many years in his quest for persuasive formal solutions was the etching. One print bears his rallying cry to himself: “Radier oder krepier” (etch or die). The primary constituents of Lackenmacher’s etched compositions are a limited visual field into which the figures appear to throng, and a mostly gloomy ambience conjured by a rich and subtle range of hues: from a few areas of bright white through an infinite variety of shades of grey to the deepest tones of saturated black.

Born in Saarbrücken in 1927, Otto Lackenmacher first attended an art school in Trier; it was only after the war and a period in captivity that he was able to study at the Staatliche Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücken (State Academy of Arts and Crafts), under Frans Masereel, among others.

Contrary to the post-war trends – namely orientation on the one hand to the constructivist Bauhaus tradition, on the other to the international abstraction propounded at the time mainly by the Parisian art scene – Otto Lackenmacher developed a style schooled by realism. Prisoners of war and other people racked by hunger and their experience of life were his primary subjects already in those early years (1947–53). With the support and encouragement of Frans Masereel, Otto Lackenmacher continued to pursue these themes. Indeed, they remained core to his artistic oeuvre his whole life long. He was a “people painter”, responsive to the realities of life that confront and put their stamp on humankind.

Lackenmacher’s paintings and graphic work encompass a broad spectrum of themes nonetheless, so many, in fact, as to defy easy classification. The early work consists in drawings of great sensitivity. Then follow, in the footsteps of Frans Masereel, the series of expressive monochrome linocut prints depicting the hardships of the post-war period. Over the next decades the artist branched out, creating situations and scenes in various media, from the portrait and, often, erotic life-drawing to explicit representations of sexuality, in what is altogether a vast and, in part, autobiographical portfolio of work.

This exhibition on the 90th anniversary of the artist’s birth, a joint venture of the Saarländische Galerie in Berlin and the Galerie im KuBa in Saarbrücken, documents the key aspects of Otto Lackenmacher’s artistic career with a selection of prints and paintings from his extensive oeuvre.

Works from the Saarland’s own collection as well as from private collections will be on show